Die humanistische Entscheidung
Der Humanismus toleriert Religionen und konkurriert mit ihnen um eine bessere Erklärung der Welt. Er sieht in seiner Lebensauffassung einen Vorteil für eine demokratische Gesellschaft, die auf Vernunft und Menschenrechte gründet. Der Humanismus sieht seine Aufgabe gegenüber Religionen in einer Kritik von Fundamentalismus, aber auch in einer Übersetzung religiöser Glaubensaussagen hin auf menschliche Bedürfnisse und Ängste. Jürgen Habermas hält diese Übersetzungsnotwendigkeit für eine zentrale Aufgabe des modernen Staates: „Eine liberale Kultur kann sogar von den säkularisierten Bürgern erwarten, dass sie sich an Anstrengungen beteiligen, relevante Beiträge aus der religiösen in eine öffentlich zugängliche Sprache zu übersetzen.“
Der Humanismus hat noch einen anderen – vielleicht wichtigeren – Gegner in der Moderne: Es ist der Nihilismus der sich als Egoismus oder als Verzweifelung darstellt. In einer sich am Markt orientierenden Weltgesellschaft, die Ungerechtigkeit und materielles Elend bestehen lässt, werden Resignation und Ohnmacht produziert. Es ist zu befürchten, dass der Durchgang durch den Nihilismus ein entscheidendes Sprungbrett in den religiösen und politischen Fundamentalismus bedeutet. Aus tiefer Verzweifelung wächst die wahnhafte Allmachtsphantasie.
Es reicht nicht, den Nihilismus abzulehnen, sondern wir brauchen eine humanistische Alternative für eine zukünftige globale Gesellschaft. Wir brauchen einen Humanismus, der die Menschenrechte praktiziert, der Lust am eigenen Denken fördert und die Freiheit des Menschen ermöglicht; einen Humanismus, der den Menschen als Teil der Natur begreift, die größer ist als er selbst und die in ihren kosmischen Dimensionen uns noch immer ein Rätsel bleibt.
Eine humanistische Lebensauffassung begründet eine Orientierung in dieser Welt, die gegen große politische Widerstände humanistische Prinzipien wie Solidarität, Gerechtigkeit und Vernunft verteidigt und fördert. Humanistinnen und Humanisten zeichnen sich durch diese existenzielle Entscheidung aus. Sie sind der Meinung, dass es keinen vorgegebenen Sinn des Lebens gibt, dass aber Menschen ihrem Leben einen Sinn geben können.
Humanismus beinhaltet eine Methode der wissenschaftlichen Untersuchung, eine allgemeine Interpretation der Welt und einen Lebensentwurf aus dem spezifische soziale Werte resultieren.
Humanismus ist die Anwendung befreiender philosophischer Weisheit auf das praktische Leben.
Autor: Werner Schultz
Diplom-Pädagoge
Bis 2016 langjähriger Leiter der Abteilung Bildung im Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg.